Die Limbacher Strumpfwirkerinnung |
1735 | Eine Limbacher Strumpfwirkerinnung wird gegründet. Erster Obermeister der Innung ist Johann Esche. Sie bleibt ohne staatliche Konfirmierung und wird offenbar 1739 abgelehnt. | |
Nach der erfolgten Ablehnung errichtet Antonius III. von Schönberg besondere Schutzbedingungen für die Ausübung des Wirkereigewerbes auf dem Gebiet seines Rittergutsbesitzes Limbach. Als Gegenleistung wird ein Schutzgeld von jährlich 8 Groschen pro Wirkstuhl erhoben, welches die Wirkermeister (die Wirkstuhlbesitzer) für diese Gewerbeerlaubnis zu zahlen haben. So kann das Strumpfwirkergewerbe ohne Innungsrecht und unter besonderen Bedingungen existieren (z.B. keine Behinderung durch Wanderzwang, keine Innungsbeitrittspflicht). Limbach wird zum Anziehungspunkt für viele Wirker, auch aus weiter entfernten Umlandorten. | ||
1770 | Die Schutzfunktion des Ritterguts wirkt auch später noch fort. So berichtet Helena Dorothea von Schönberg um 1770, „wie beflißen das Strumpfwürkerhandwerk in Chemnitz ist, die hiesigen Gesellen von der hiesigen Herrschaft weg und unter ihre Obhut zu bringen“ und vermerkt, dass es neu entworfene Artikel gibt, deren Konfirmierung noch aussteht, und „die Gesellen laut Befehls würklich unter mir stehen“ (mit „würklich“ meinte Helena Dorothea von Schönberg „die Wirkerei betreffend“, abgeleitet aus der damals üblichen Schreibweise „würken“ anstelle „wirken“). | |
1779 | Helena Dorothea von Schönberg richtet am 31.12. ein Gesuch an den Kurfürsten und bittet um Genehmigung zur Errichtung einer Strumpfwirkerinnung. Es folgen weitere Gesuche und ein umfangreicher Schriftwechsel. | |
1785 | Nach 5 Jahren kann am 25.02. endlich die Konfirmation (Bestätigung) der Innung erfolgen. Diese Limbacher Strumpfwirkerinnung ist eine der ersten Handwerkerinnungen, die einer Dorfgemeinde gestattet werden. Innungsrechte können seit dem Erlass der Generalinnungsartikel 1780 auch Dörfern erteilt werden, zuvor nur Städten. Limbach als bereits starker Wirkereiort erfüllt dafür die Voraussetzungen. | |
Die Gründung der Innung erfolgt gegen den Willen der Stadt Chemnitz. Die Streitigkeiten zwischen den beiden Orten hatten unhaltbare Zustände geschaffen. | ||
Zur Konfirmation erhält die Innung kostbare Geschenke, beispielsweise ein vergoldetes Handwerksschild von Helena Dorothea von Schönberg zur Kennzeichnung des jeweiligen Versammlungsorts und einen „zienernen Willkommen mit innestehendem Becher“ (ein Humpen für den Ehrentrunk neu eintretender Meister), der mit kostbaren alten Münzen, eingenäht in seidene Bänder, behängt ist. Alles in allem wiegt der „Willkommen“ etwa 10 Pfund. | ||
1785 | Am 18.05. findet die erste amtliche Versammlung (1. Hauptquartal) im Beisein von Helena Dorothea von Schönberg „bey offener Lade“ statt. Versammlungsort ist der Tanzboden der Dorfschenke (Nötzels Brauerei, heute Hotel Lay-Haus). | |
Obermeister ist Gottlieb Leuschel. Vom Innungsschreiber Meister Johann Welcker aus Köthensdorf wird am gleichen Tag das wichtige Meisterbuch („Meister-Protocoll“) angelegt. Das nebenstehende Bild zeigt das Titelblatt des Meisterbuches (Original Best. Limbach Nr. 2513 im Stadtarchiv Limbach-Oberfrohna) | ||
1813 | Stuhlzinsprozess: In den Zeiten der schweren Wirtschaftskrise (europäische Kriege) bitten die Wirkermeister um die Abschaffung der Stuhlzinsabgaben. Diese Bitte wird von der Rittergutsherrschaft und der Regierung abgelehnt, so dass die Wirkermeister diese Zahlung von 12 Groschen jährlich nun verweigern. Erst 1845 endet der Streit mit einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem damaligen Rittergutsbesitzer Baron von Rhöden und der Innung. Offenbar war den Beteiligten die vor fast 100 Jahren entstandene Unterscheidung zwischen den Stuhlzinsen von 4 Groschen und dem Schutzgeld von 8 Groschen (jeweils jährlich) nicht mehr bekannt. Entscheidend für die lange Prozessdauer war jedoch die nur zögerliche Abkehr vom feudalistischen Rechtssystem. | |
1830 | Die Innungsartikel von 1785 sind nicht mehr zeitgemäß. Es werden daher verschiedene Punkte geändert. | |
1840-1850 | Beginn eines erneuten wirtschaftlichen Niedergangs der Strumpfwirkerei in Limbach. Bis 1836 hatte die Limbacher Wirkerei zunächst einen Höhepunkt erreicht, besonders durch ihre Exporte (Europa und Nordamerika). Die Innung hatte nun 500 Meister. Aber ab 1840 gibt es eine erneute Krisenentwicklung in der gesamten sächsischen Strumpfwirkerei, bei der Limbach kein Sonderfall ist. Fachleute dieser Zeit berichten vom Einbruch der Exporte und den daraus resultierenden Umsatzverlusten. Sie diskutieren die Vorteile der in England bestehenden Fabrikproduktion auf neuen Maschinen gegenüber der Verlagsproduktion in Sachsens Innungen. Gleichzeitig sehen sie jedoch die Produktvielfalt und die Ausbildung in den Innungen als Vorteil. | |
1854 | In der gravierenden Umbruchssituation bei der Entstehung von Fabriken in Limbach setzt sich die Innung besonders stark für ihre Mitglieder ein. Als Theodor Esche den Antrag für einen Fabrikbau der Firma Moritz Samuel Esche stellt, verlangt die Innung, dass in der Fabrik nur „mechanische Stühle“ (Maschinen) aufgestellt werden dürfen, also keine Handwirkstühle. So verhindert sie, dass ihren selbständigen Meistern eine Konkurrenz bei der Herstellung von Handschuhen und Qualitätsstrümpfen erwächst. Diese haben kein Geld, um in Maschinen zu investieren. Langfristig jedoch geht die Entwicklung in Richtung Fabrikproduktion. Die Auflösung der Innung in ihrer alten Form zeichnet sich ab. Die teilweise Versteigerung des Innungsinventars erfolgt. | |
1861 | Die Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse haben sich erheblich verändert. Die Gewerbefreiheit wird proklamiert und damit der Innungszwang aufgehoben. Nach dem Beschluss einer Innungs-Deputation von 10 Personen soll die Innung als Gesellschaft weiter bestehen. Die Geschenke und das restliche Inventar werden öffentlich versteigert. | |
1866 | Die Strumpfwirker-Gesellschaft wird aufgelöst. Ihr Vermögen von 2000 Talern erhält die Gemeindeverwaltung zur Schaffung einer Begräbniskasse für Strumpfwirkermeister. Als 1916 das letzte Innungsmitglied stirbt, geht das restliche Vermögen in den Besitz der Gemeinde über. |
Innungs- zweck | Zitat gemäß Fritzsching: „Das war wie bei allen alten Innungen die wirtschaftliche Förderung des Handwerks durch Erreichung ihm zustehender Rechte, weiter die Erhaltung und Förderung des Ansehens des Handwerks durch Erzeugung wertvoller Ware und die Sorge um tüchtigen Nachwuchs, drittens Pflege der Geselligkeit, Einträchtigkeit und Brüderlichkeit“. | |
Innungs- artikel | Aufgrund der Sächsischen Generalartikel von 1780 mussten nach der Konfirmierung der Innung im Vergleich zu den früheren Limbacher Verhältnissen rückschrittliche Artikel wie der Wanderzwang oder die Verweigerung eines eigenen Gewerbes und Verkaufsrechtes für nicht der Innung angehörende Meister aufgenommen werden. Trotzdem waren die Limbacher Innungsartikel im Vergleich mit den Artikeln früherer Innungen sehr liberal. Während diese sich gegen Fremde abschotteten, Innungsverwandte protegierten, ihre Mitgliederzahl begrenzten oder die eheliche Geburt voraussetzten, gibt es solche Bestimmungen in den Limbacher Artikeln nicht. Es heißt im Gegenteil in Artikel 5, dass jeder tüchtige Lehrling zum Gesellen gesprochen werden kann und es dabei keinen Unterschied zwischen Fremden und Meistersöhnen geben soll, und in Artikel 10 beim Meisterspruch, dass kein Unterschied zwischen Fremden und Meistersöhnen oder denen, die Meisterwitwen oder -töchter heiraten, zu machen ist. Auch dem Anschluss von auswärtigen Wirkern an die Limbacher Innung steht nichts entgegen (Pauschalübertritte aus anderen Innungen erfordern eine Genehmigung). | |
Die Limbacher Innungsartikel unterscheiden sich auch stark von den Chemnitzer Innungsartikeln des Jahres 1755 durch ihren freiheitlichen Zug. Neben den vorgenannten Unterschieden war in Limbach außerdem den Meistern keine Zahl der Lehrlinge oder Gesellen vorgeschrieben, so dass sie Produktion und Absatz nach Belieben vergrößern konnten. Auf diese Weise konnte in Limbach das Strumpfwirkerhandwerk mächtig aufblühen. Aus all diesen Gründen wandten sich viele Gesellen aus dem Einflussbereich der Chemnitzer Innung nach Limbach, um hier das Meisterrecht zu erlangen. | ||
Amts- personen |
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Mitglieder bei Gründung 1785 |
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Versamm- lungstage |
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Bis auf das Hauptquartal benannt nach lateinischen Quartalen | ||
Versamm- lungs- lokal |
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Innungs- lade |
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Sitzungs- inhalte |
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Aus Innungs- büchern |
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Verfasser | Ursula Ziemert, Dietrich Esche |
Quellen |
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Bilder | 1Dietrich Esche 2Frank Winter |
Die Informationen zur Heimat- und Industriegeschichte der Region Limbach sind von Mitgliedern des Fördervereins gesammelt und für die Besucher des Esche-Museums aufbereitet worden. Das Internetangebot umfasst nur eine Auswahl von Beiträgen und soll Anregung sein, sich bei einem Besuch des Esche-Museums vor Ort eingehender zu informieren.
Hinweise und geeignete Dokumente zum angesprochenen Themenkreis nehmen wir jederzeit gern entgegen.