Heinrich Mauersberger 1909 - 1982 Entwicklung der Nähwirktechnik MALIMO |
Heinrich Mauersberger hat als Erfinder, Wegbereiter, Maschinenbauer und textiler Entwickler seinem neuen Stoffherstellungs-Verfahren zur internationalen Anerkennung verholfen. Mit wesentlichen eigenen Beiträgen legte er die Grundlagen für die Serienfertigung der Nähwirkmaschinen. Unter dem geschützten Warenzeichen MALIMO® (MAuersberger LIMbach-Oberfrohna) wurden sowohl die Maschinen als auch die darauf hergestellten Erzeugnisse national und international erfolgreich vermarktet. Mit dem Maschinenhersteller VEB Nähwirkmaschinenbau Karl-Marx-Stadt und dem weltweit größten Nähwirkbetrieb VEB Malitex Hohenstein-Ernstthal war diese Region das Zentrum der Nähwirktechnik MALIMO. | ||
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1909 | Am 11.02. wurde Heinrich Mauersberger in Neukirchen bei Crimmitschau geboren. | |
1915-1919 | Volksschule in Neukirchen | |
Sein Vater, ein selbständiger Händler für Büroartikel und technisches Zubehör, schickte ihn häufig als Laufburschen in die Crimmitschauer Textilbetriebe. Die dort vorhandene Technik fand er höchst interessant, dagegen hatte er „eine innere Abneigung“ gegen das Lernen in der Volksschule. | ||
1919-1925 | Realschule in Crimmitschau | |
Im Elternhaus herrschte chronischer Geldmangel. Dieser Übelstand trieb ihn an, die Realschule gut zu bestehen, sich Wissen und vor allem technische Fertigkeiten anzueignen. Sein Berufswunsch war Maschinenbauer oder Elektriker, aber der Vater schickte ihn in die Lehre als Färber in eine Tuchfabrik. Das war der Einstieg in den Textilbereich. | ||
1929-1931 | Nach erfolgreichem Lehrabschluss folgten der Besuch der Webschule in Crimmitschau und der Akademie für Technik in Chemnitz mit dem Abschluss als Färbereitechniker. | |
1933 | Am 04.02. heiratete er in Crimmitschau Elsbeth Winterling, die Tochter eines Schlossermeisters. Im gleichen Jahr ging er auf „Wanderschaft“ und arbeitet jeweils befristet in mehreren Textilfabriken Sachsens. | |
1934 | erhielt er eine feste Anstellung als Chemiker/Colorist bei der damals weltbekannten Handschuhfabrik C.A. Kühnert AG in Göppersdorf bei Burgstädt. Mit seiner Frau zog er in die dortige Fabrikwohnung. In der Firma hatte er für die Farbgebung und die effektvolle Ausrüstung der Handschuhstoffe zu sorgen. Daraus entstanden seine ersten zum Patent angemeldeten Erfindungen, u. a. der Ätzdruck für Handschuhstoffe. | |
1941-1946 | war er Soldat und nach Kriegsende Sanitäter in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. | |
1946 | In schwerer Nachkriegszeit konnte er nur noch kurze Zeit in der fast still stehenden Handschuhfabrik tätig sein. Durch Einfallsreichtum und handwerkliches Geschick wollte er die Not überwinden. Mit einer selbst gebauten Hand-Flachstrickmaschine erlernte er das Strickhandwerk, legte die Strick-Meisterprüfung an der Handwerkskammer ab, meldete ein Heimgewerbe an und verkaufte etwa 2 Jahre lang die selbst gefertigten Strickwaren an ein Chemnitzer Textilwarengeschäft. | |
1947 | kam die entscheidende Idee für das Übernähen von Fadenlagen beim Beobachten, wie seine Frau schadhafte Stellen in Geweben mit der Nähmaschine ausbesserte - also „übernähte“. Es folgte in seiner Wohnung der Bau einfacher Modelle für eine neuartige Flächenbildungstechnik - das „Verfahren zur Herstellung von Kettelwebstoff“. | |
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Bei 500 Stichen pro min und 2 mm Stichlänge könnte seine hochproduktive Technologie eine Stoffproduktion von 1 m/min bzw. 60 m/h leisten. Demgegenüber lieferte eine Webmaschine damals nur etwa 4 bis 5 m/h Gewebe. | ||
1948 | stellte Mauersberger seine Erfindung bei der ostdeutschen Wirtschaftskommission und bei der Mitte 1948 gegründeten VVB Textima vor. Eine Fachkommission der VVB Textima hielt die Erfindung für wenig bedeutend, erteilte aber immerhin Mauersberger 1949 den Auftrag, als „Spezialkonstrukteur für Entwicklung“ im VEB Sicht- und Zerlegewerk Limbach ein Funktionsmuster zu bauen. | |
1949 | Das Patent mit dem Titel „Verfahren zur Herstellung von Kettelwebstoff“ hatte Mauersberger am 31.01.1949 fertig formuliert und am 02.02.1949 im DDR-Patentamt hinterlegt. Mit dem Datum 03.02.1949 wurde das Patent WP8194 unter dem neuen Titel „Verfahren zur Herstellung von Kettenstichware“ vom Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR in der Gruppe der „Vielnadelnähmaschinen“ erteilt. Erst später erfolgte national und international die Eingliederung des Patentes in die Gruppe der „Kettenwirkmaschinen“. Nach mehreren vorläufigen Begriffen wie „Kettelweben“, „Kettenstechen“ oder „Malimieren“ prägte Mauersberger mit Fachkollegen und Patentingenieuren etwa 1953 das neue Wort „Nähwirken“, dass sich schnell weltweit durchsetzte. | |
Vorher musste Mauersberger aber noch lange und zäh um die Anerkennung und die praktische Umsetzung seiner neuartigen Nähwirktechnik kämpfen. Er wehrte sich gegen Hohn, Spott und totale Ablehnung. Das Misstrauen war besonders groß, da Mauersberger kein ausgebildeter Konstrukteur war und als Autodidakt über Funktionsmodelle seine Technik entwickelt hatte. Mit vielen Vorträgen, weiteren in Eigenbau technisch verbesserten Modellen und den darauf hergestellten Nähgewirken suchte er Anerkennung und Unterstützung. Und er meldete weitere Patente zu seiner Nähwirktechnik an. | ||
1952 | Eine kleine Episode aus diesem Jahr ist wohl typisch für den genialen, praktisch denkenden Bastler und Tüftler Mauersberger. Er fuhr mit einem Eigenbau-Kabinen-Roller. Die auch vor Regen schützende Verkleidung bestand aus Alublech-Abfällen und einer Frontscheibe aus Zelluloid. Der gut versteckte Antrieb blieb sein Geheimnis, es könnte sogar ein Elektroantrieb gewesen sein! | |
Etwa Anfang 1952 fand Mauersberger doch noch die „von oben“ notwendige „wirtschaftspolitische“ Zustimmung für seine Nähwirktechnik, denn die VVB Textilmaschinenbau erhielt den Auftrag, mit Mauersberger den Bau eines ersten Fertigungsmusters in der Nennbreite 2400 mm zu realisieren. | ||
Konstruktion und Teilefertigung erfolgten im VEB Konstruktion und Entwicklung KETEX Chemnitz, VEB Wirkmaschinenbau Limbach und VEB Spezialnähmaschinenbau Limbach. Im Werk Kändler des VEB Spul- und Schärmaschinenbau Burgstädt erfolgte die Montage. Mauersberger war Konstrukteur, Teilefertiger, Nadelmacher und Monteur. Als „verrückter Erfinder“ wurde er anfangs belächelt, aber durch seine Tatkraft, Ausdauer und Kollegialität fand er bald echte „Weggefährten“ für die Nähwirktechnik. | ||
1953 | Auf der Leipziger Frühjahrsmesse wurde die „Faserpelz-Kettenstich-Maschine“ (die erste MALIWATT) mit großem Erfolg ausgestellt. Der VEB Wirkmaschinenbau Limbach erhielt daraufhin den Auftrag zum Bau von 3 Nullserien-Maschinen. | |
1954 | In der Filzfabrik Oschatz war Mauersberger bei der Industrieerprobung seiner ersten Maschine dabei, um noch bestehende Mängel zu erkennen und abzustellen. Am 16.04. konnte die arbeitsbereite Maschine die Produktion beginnen. Das Erzeugnis, die neue „Steppwatte“ fand aber keinen Absatz! Mauersberger suchte und fand schließlich selbst einen Abnehmer - den VEB Wattana Lichtenstein bei Zwickau. | |
Der Durchbruch war geschafft und 1954 erhielt Mauersberger den DDR-Nationalpreis für Wissenschaft und Technik. | ||
1955 | bezog Mauersberger mit Unterstützung der Stadt Limbach das neuerbaute Siedlungshaus am Oesterholz. | |
In den Jahren ab 1953 arbeitete Mauersberger in Chemnitz, nun Karl-Marx-Stadt, im VEB KETEX, im VEB Wirkmaschinenbau und dann im Januar 1957 gegründeten Institut für Textilmaschinen als Abteilungsleiter an der technischen und technologischen Weiterentwicklung der Nähwirktechnik. | ||
1956 | übernahm der VEB Tüllmaschinenbau - wenig später umbenannt in VEB Nähwirkmaschinenbau - in Karl-Marx-Stadt die Konstruktion, Weiterentwicklung, Fertigung und Montage von Nähwirkmaschinen MALIMO in Serie. | |
1957 | wurde die Konstruktion des neuen Typs MALIMO abgeschlossen. Die 1958 gebauten Maschinen MALIMO 500 erhielten ab 1959 ihren Industrieeinsatz im Werk Cranzahl des VEB Wirkwaren Cunnersdorf als sogenannte „Handtuch-Maschinen“. | |
Etwa 1957 fertigte Mauersberger parallel dazu in seiner „Freizeit“ und in seiner Limbacher Wohnung das sogenannte Ur-Modell des Typs MALIMO, auf dem er bis etwa 1959 über 400 Muster der „Fadenlagen-Nähgewirke“ entwickelte und herstellte (Bild 5). Es war ihm klar, dass nicht nur gute Nähwirkmaschinen gebaut werden müssen. Ebenso wichtig war es, gute und absatzfähige Nähgewirke zu produzieren und dafür einen möglichst großen Sortimentsvorlauf zu entwickeln. | ||
1961 | wurden zur Leipziger Frühjahrsmesse die ersten Nähwirkmaschinen Typ MALIMO und Typ MALIPOL in Nennbreite 1600 mm vorgestellt. Im gleichen Jahr erprobte der VEB Baumwollwebereien Hohenstein-Ernstthal die MALIMO-Maschinen und wurde bald der erste größere DDR-Hersteller von Nähwirkerzeugnissen. 1964 wurde der Betrieb in VEB Malitex umbenannt und die Produktion vergrößert, es entstanden Nähwirkereien in den Werken Kaufungen, Wolkenburg und Hohenstein-Ernstthal. | |
1962 | Am 19.01. wurde der Warenzeichenverband für Nähwirkmaschinen und Nähwirkerzeugnisse mit Sitz in Hohenstein-Ernstthal gegründet, Mauersberger war Mitglied des Vorstandes. Dem Verband gelang es relativ schnell, in der DDR die Nähwirkbetriebe, den Nähwirkmaschinenbau sowie Forschungs- und Exportbetriebe für Nähwirktechnik als Mitglieder unter dem gemeinsamen Warenzeichen MALIMO® zu vereinen. | |
Mauersberger war beteiligt an der Vergabe der Lizenz zur Fertigung von Nähwirkmaschinen an die USA-Firma Crompton and Knowles. | ||
1963 | Am 07.10. wurde Mauersberger als „Held der Arbeit“ ausgezeichnet und am 14.10. zum Ehrenbürger der Stadt Limbach-Oberfrohna ernannt. | |
In den 60er Jahren begann der internationale Durchbruch für die Nähwirktechnik. Die 2. Generation der MALIMO-Maschinen „Modell 14010“ wurde in viele Länder der Erde exportiert. Es entstanden im Baukastensystem drei Nennbreiten und die neuen Typen MALIVLIES, VOLTEX und SCHUSSPOL. In Kooperation mit der polnischen Firma BEFAMA wurden Maschinensysteme mit automatisierter Vlieszuführung entwickelt und verkauft. | ||
Viele neue Erzeugnisse in der Bekleidung, vor allem aber für Heim und Haushalt sowie für technische Zwecke kamen auf den Weltmarkt. In vielen Auslandsreisen informierte Mauersberger selbst über seine Nähwirktechnik, dabei konnte er auch dank seiner guten englischen und französischen Sprachkenntnisse viele Exportgeschäfte anbahnen. In der DDR entstanden weitere Nähwirkbetriebe und MALIMO-Erzeugnisse waren nahezu in jedem DDR-Haushalt zu finden. | ||
1966 | Weil Mauersberger Kritik an den DDR-Wirtschaftsverhältnissen äußerte und sich von Mitarbeitern der Staatssicherheit nicht reinreden ließ, wurde er zunehmend „politisch unbequem“. Aus gesundheitlichen Gründen kündigte Mauersberger 1966 seinen Arbeitsvertrag im Institut für Textilmaschinen. Er wurde sogar in die Psychiatrie nach Waldheim eingewiesen! Nach etwa einem halben Jahr wurde er „ohne Befund“ entlassen. | |
1967 | Mit 58 Jahren siedelte er mit seiner Frau fluchtartig nach Bestensee bei Berlin um. 2 Jahre lebte er von seinen persönlichen Rücklagen ohne jegliches Einkommen. Die noch offenen USA-Lizenzeinnahmen blieben aus, stattdessen erhielt er eine bescheidene Lizenz-Anerkennungs-Prämie als Vergütung. Inzwischen erfuhren westdeutsche Textil-Berufskollegen vom Schicksal Mauersbergers und starteten in ihrer Fachzeitschrift einen Solidaritätsaufruf: „DDR-Erfinder-Malimo nagt am Hungertuch“. Das war für die DDR-Behörde Anlass genug, Mauersberger schließlich eine Ehrenpension des Ministerrates zu gewähren. | |
1972 | starb seine Frau Elsbeth, die ihm stets eine wichtige Begleiterin und moralische Stütze war. Zitat von Mauersberger: „Ohne meine Frau wäre ich mit MALIMO nie zum Ziel gekommen.“ | |
Im gleichen Jahr wurde Mauersberger anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Warenzeichenverbandes MALIMO® zum Ehrenvorsitzenden gewählt. | ||
Zur Internationalen Textilmaschinenausstellung ITMA erhält er die Urkunde und Medaille der Stadt St. Louis (Frankreich). | ||
1976 | heiratete Mauersberger Lisa Messerschmidt, eine gelernte Textilfacharbeiterin aus Trusetal/Thüringen. Seine zweite Frau richtete ihn wieder auf und begleitete ihn in seinem doch noch recht aktiven Ruhestand in Bestensee. | |
1979 | wurde ihm als zweitem Deutschen die Ehrenmitgliedschaft des Textilinstituts von Manchester (England) verliehen, eine sehr hohe und sehr seltene Auszeichnung. | |
1982 | Am 16.02. verstarb Heinrich Mauersberger und wird auf dem Nordfriedhof in Bestensee beigesetzt. | |
Er bleibt als stets bescheidener und hilfsbereiter Mann mit Witz und Humor in Erinnerung, der lebenslustig und freundlich zu Jedermann war und durch den beharrlichen Einsatz für seine Nähwirktechnik weltweite Anerkennung gefunden hat. Mauersberger war selbst an über 80 Patentanmeldungen beteiligt, basierend auf seinen Ideen haben sich viele technisch-technologisch neuartige Lösungen durchgesetzt. | ||
Wichtige Erfindungen Heinrich Mauersbergers, die zum Erfolg der MALIMO-Technologie beitrugen:
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Typische MALIMO - Erzeugnisse:
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Heute sind die von Heinrich Mauersberger erträumten Hochleistungsmaschinen Realität, Die Nähwirkmaschinen der Firma Karl Mayer Malimo Textilmaschinenfabrik GmbH Chemnitz produzieren mit bis zu 2500 R/min in Arbeitsbreiten von 2900 mm bis 6150 mm. Auf sogenannten „Schusseintragsmaschinen“ - das sind Kettenwirkautomaten oder Raschelmaschinen der Firmen Karl Mayer Textilmaschinenfabrik Obertshausen bzw. LIBA-Maschinenfabrik Naila mit nähwirktypischen Schussfadenlegern, Magazinketten und Schiebernadeln - werden mit ähnlich hohen Leistungen monoaxial, biaxial oder multiaxial verstärkte Kettengewirke produziert. Diese Textilien haben vorwiegend hochwertige technische Anwendungen wie zum Beispiel in Struktur-Leichtbau-Werkstoffen. | ||
Die Maschinentechnologie zur Herstellung von Nähwirkvliesstoffen mit den Varianten MALIVLIES, MALIWATT, KUNIT und MULTIKNIT ist zum 1.Januar 2012 von Karl Mayer Malimo Textilmaschinenfabrik GmbH Chemnitz an die Firma Christian Pinkert Textilmaschinen Chemnitz übertragen worden. Die Schusseintragsmaschinen werden heute in dem neuen Unternehmen Karl Mayer Technische Textilien GmbH in Chemnitz und Naila produziert, das im August 2015 durch die Verschmelzung von Karl Mayer Malimo und Karl Mayer LIBA Textilmaschinenfabrik entstanden ist. | ||
Nähgewirke insbesondere für technische Zwecke haben eine gute Zukunft - und sie beweisen mit ihren hochwertigen Eigenschaften die enorme Entwicklung der vor etwa 60 Jahren von Heinrich Mauersberger ausgetüftelten „Kettelwebstoffe“. |
Verfasser | Jürgen Lohr |
Quellen |
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Bilder | Sammlungsbestand Esche-Museum Limbach-Oberfrohna |
Die Informationen zur Heimat- und Industriegeschichte der Region Limbach sind von Mitgliedern des Fördervereins gesammelt und für die Besucher des Esche-Museums aufbereitet worden. Das Internetangebot umfasst nur eine Auswahl von Beiträgen und soll Anregung sein, sich bei einem Besuch des Esche-Museums vor Ort eingehender zu informieren.
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